NZZ Folio, 03/2007

Wer sich, wie ich, immer über die übertrieben tiefen Stimmen in den Movie-trailers nerft, hier ein Anfang von einer Erklärung:

Denn unsere Ohren sind auf eine empörende Weise dumm. Sie hören nicht etwa das, was akustisch, also physikalisch messbar angeboten wird. Sondern vor allem, was sie hören wollen. Psychoakustik heisst die Wissenschaft, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt. Von den Psychoakustikern wissen wir zum Beispiel, dass die meisten Menschen eine sonore Männerstimme angenehm finden. Mithin kann ein Moderator, der nicht vom Zwerchfell aus und mit viel Volumen spricht, so intelligent und witzig plaudern, wie er will – die Leute hören nicht hin. Es sei denn, seine Stimme werde technisch, eben durch Soundprocessing, optimiert.

Ahnliches gilt für Frauenstimmen. Eigentlich eignen sie sich hervorragend für Verkehrsdurchsagen und sonstwie Dringliches. Experten vermuten, das habe mit einem bevorzugten Frequenzbereich in den meisten weiblichen Stimmen zu tun, um 6 Kilohertz herum. In diesem Bereich schreien nämlich auch Babies, worauf wir sinnvollerweise konditioniert sind. Doch will der Liebhaber leichter Popmusik zwischen den Musiktiteln von schreienden Babies erschreckt werden? Auch hier wird der Tonmeister Hand anlegen und die Frauenstimme lieber mit Anmut und einem Hauch Erotik auszustatten versuchen.

Eine der deprimierendsten Erkenntnisse der Psychoakustik für Radiomacher aber ist: Was laut ist, empfinden wir generell als schön, auch wenn es sich für den Kenner schrecklich anhört. Und ein perfekt abgemischtes Stück mögen wir nicht hören, wenn es zu leise ist. Seit sich dieser Zusammenhang herumgesprochen hat – und seit es beim Radio private Konkurrenz gibt, zu der wir ausweichen können, wenn unser Ohr geärgert wird, in der Schweiz seit 1984 –, gilt als Artikel eins des Grundgesetzes für populäres Radio: Laut muss er sein, der Sound. Fett.

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